Mittwoch, 23. September 2015
Patchwork für alle
Spricht man von Scheidungen, werden noch immer Köpfe geschüttelt und schnell nach Vorwürfe für ihn oder sie gesucht. Doch machen wir uns nichts vor, Scheidungen gehören heute in unsere Gesellschaft. Wir sind schnelllebiger geworden. Nicht nur in der Kommunikation und in der Logistik, sondern auch in der Beziehungswelt. Wir sind einfach zu schnell von unserem Partner gelangweilt. Gibt es kein Update mehr, lässt er oder sie sich nichts mehr neues einfallen um uns zu unterhalten, dann wird sich nach einem neuen Modell umgeschaut. Wir sind das, was die Konsumgesellschaft aus uns gemacht hat. Wir lassen die Beziehung auf uns wirken, nehmen daraus was wir brauchen und sind nicht bereit für etwas entgegenkommen. Auf dem freien Markt bekommt man ja schließlich auch überall Service und Kundenfreundlichkeit und muss nicht entgegenkommen.
Nach der Trennung führt dann für den ein oder anderen zur Familie 2.0, die nächste Beziehungsgeneration mit einem neuen Partner. Die Kinder sind dann schon vorhanden und lassen sich integrieren, manchmal wird aber auch hier noch erweitert. Oftmals um dem neuen Partner das Gefühl zu geben, dass er ebenfalls sein Denkmal errichten darf. Wie dem auch sei, aus der alten Familie werden Teile heraus geschnitten und mit einem neuen Partner zu einer neuen Einheit zusammengefügt – der Patchworkfamilie. Schön. Aber nur für die, die daran beteiligt sind. Was ist aus dem alten Familienteil das zurück bleibt? Wer fängt dieses auf? In Filmen macht man es sich hier leicht. Entweder sie werden als bösartige Charaktere dargestellt oder sterben gelassen. Das entspricht aber nicht der Realität.
Auf Grund der Genetik obliegt es noch immer der Frau Kinder zu gebären. Von daher wird es als selbstverständlich erachtet, dass der Mann derjenige ist, der den Unterhalt für die Familie erarbeiten muss. Klar, einer muss es ja tun. Aber wohin führt diese Selbstverständlichkeit? Dahin, dass bei der Trennung der Frau nach wie vor der größere Bezug zum Kind zugesprochen wird. Wie sollte es den sonst gelaufen sein, wenn der Mann zur Arbeit gehen musste. Nichts desto trotz gibt es genügen Väter, welche, trotz der geringeren Zeit die sie mit ihren Kindern verbringen können, eine große Bindung zu ihren Kindern haben. Manchmal sogar eine ehrlichere und innigere als es den Mütter möglich ist. Und wo bleiben nun diese Väter in der Patchworkkonstruktion? Nirgends, ist die Antwort. Den sie sind die Teile, welcher als Unbrauchbar für das Patchwork erachtet werden und als Reste übrig bleiben.
Geblendet von der neuen Familienkonstruktion und Aufgrund der Aufforderung sich mit Mami’s neuen Partner Mühe zu geben, kommt der alte Vater schneller in Vergessenheit, als dass man Glauben mag. Nein, auf solche unschöne Dinge möchte natürlich keiner Aufmerksam gemacht werden. Schaut doch nur wie toll die neue Familie funktioniert.

Es ist ein Ablauf, der sich aus den Konstellationen unserer Gesellschaft ergibt, ein System. Und aus diesem rutschen viele heraus, sind verloren und werden vergessen.

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